Messie und Messie-Syndrom: Störungsbild, Psychosomatik und Gesundheit
Messies sind selbstverständlich keine grundsätzlich schlampigen Menschen. Im Gegenteil. Unter ihnen sind viele sehr gewissenhafte Menschen. Sie scheitern an ihren überhöhten Ansprüchen. Irgendwann kippt das System, und alle Bemühungen um System und Ordnung werden aufgegeben.
Auf den ersten Blick kann beim Messie-Syndrom von einem Vermüllungssyndrom und einer Wertbeimessungsstörung die Rede sein. Hinter dieser Symptomatik steht eine komplexe Phänomenologie.
Es lohnt sich für alle Beteiligten – Messiesyndrom-Betroffene, Angehörige, Behandler, Mitglieder von Selbsthilfegruppen, Ärzte und Psychologen, hinter die Kulissen von Störungen zu sehen.
Im seelischen Zimmer einer Person mit Messie-Syndrom finden sich Hinweise, die in der physischen Welt hilfreich sein können, um Ordnung zu schaffen:
Im übertragenen Sinn stehen in der seelischen Umgebung einer Messie-Person fatale Überzeugungen vor dem Fenster in die Welt.
Durch dieses Fenster können Betroffene sehen, sobald sie ihre Themen sortiert haben
Zahlreiche Probleme haben ihren Ursprung in der Idee, alle Probleme auf einmal lösen zu wollen.
Vor dem seelischen Fenster steht bei Messies enorm viel, was den Blick auf das Leben versperrt:
So entsteht ein Teufelskreis aus Verschuldungsideen, Versäumnis, Fehleinschätzungen, Selbstabwertung, Realitätsverweigerung, eskalierendem Sammelverhalten – und: einem alles überschattenden Perfektionismus.
Viele als Messies bezeichnete Personen verfügen über einen ausgeprägten Ordnungssinn
Wissen Sie, was das Hauptproblem ist, das Menschen im Chaos im Weg steht wie Kisten, Behältnisse und Bücher in ihrer Wohnung?
Das Hauptproblem des Messies ist der permanente Versuch, alles gleichzeitig zu erleben und zu erledigen. Und das am besten perfekt. Es sind die Wesenszüge von Perfektionisten.
Das liest sich paradox.
Veronika Schroeter, eine der führenden Expertinnen für die Behandlung von Klienten mit dem Messie-Syndrom, schildert in ihrem Buch „Messie-Welten“, wie Menschen „trotz ihrer problematischen Wohnsituation wie aus dem Ei gepellt“ in die Therapiestunde kommen. Sie erwähnt ausdrücklich die Hochachtung, die sie vor dieser Leistung hat.
Doch sehen wir uns die Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) des Messie-Syndroms an:
Welche Störungsbilder sind mit dem Messie-Syndrom assoziiert?
Veronika Schröter nennt in ihrem Buch „Messie-Welten“ auf Seite 36 folgende Störungsbilder, zu denen die Verwahrlosung und die Vermüllung wie eine Begleiterscheinung auftreten:
- Depressionen
- Zwangserkrankungen
- Schizophrenie
- ADS / ADHS
- Autismus
- Hirnorganische Erkrankungen
- Suchterkrankungen
- Erschöpfungssyndrom
Erstaunlicherweise wirken Messies in Fernsehdokumentationen sehr erleichtert, wenn sie endlich radikale Hilfe von außen erhalten.
Es scheint also keineswegs so zu sein, dass Messies Gefallen an der Unordnung finden.
Vielmehr scheinen sie sich auf die letzten Quadratzentimeter zurückzuziehen, auf denen ihre Seele noch Zuflucht finden kann. Das ist der eigene Körper. Deshalb sehen wir auch Personen, die in ihrem Bergen aus Gegenständen nur noch einen Sessel oder ein halbes Bett als Zufluchtsort haben.
Nun sollten wir einige Fragen stellen:
Was war zuerst da: die Unordnung in der Wohnung oder Unsortiertheit bzw. Unordnung im Kopf?
Sehen wir uns einen Karton mit unsortierten Schrauben an. Die Schrauben sind natürlich nicht gestört – eben sowenig wie das Behältnis, in dem sie liegen.
Ähnlich verhält es sich mit einem Kopf, in dem unendlich viele Gedanken, Ideen, Pflichten, Loyalitäten, Erinnerungen, Hoffnungen, Schuldgefühle und unerledigte Aufgaben durcheinander sind.
Durcheinander durch Gleichzeitigkeit.
Vom Messie-Syndrom betroffen?
Was ist eigentlich Messie-Verhalten?
Oberflächlich betrachtet liegt bei Betroffenen „einfach nur“ Schlampigkeit vor.
Sie müssten „endlich mal“ aufräumen, so die Ratschläge von Außenstehenden.
„Gegenstände zu horten ist eine Störung“ – so die Schlussfolgerung von betroffenen Angehörigen und Freunden.
Eine Psychotherapie soll Ordnung in das Chaos bringen, die überflüssigen Gegenstände aus dem Zimmer und aus den Wohnungen bringen. Wenn es nur so einfach wäre.
Die Psychosomatik des Messie-Syndroms ist einfach – und gleichzeitig komplex
Wenn wir Entscheidungen treffen, so sollen diese sinnvoll und richtig sein. So die Theorie.
In der Praxis führt das ständige Streben nach den richtigen und besten Entscheidungen zu einer chronischen Entscheidungsmüdigkeit (decision fatigue).
Je mehr Entscheidungen wir treffen müssen oder von uns verlangen, desto schlechter werden die Ergebnisse der Entscheidungen.
Und so kommt es zu einem massiv ansteigenden Durcheinander.
Immer mehr bleibt liegen, und immer größer wird der Entscheidungsdruck.
Unsortiertheit fühlt sich gestört an – und sie wirkt sich wie eine Störung aus. Auch im Kopf. Wenn im Kopf Unordnung herrscht, ist der Mensch zu kaum einem klaren Gedanken fähig. Unklare Gedanken führen zu diffusen Gefühlen: bis hin zum von Depressiven beschriebenen „Gefühl der Gefühllosigkeit.“
Der Mensch kann durch fehlende Übersicht in ein Erschöpfungssyndrom kommen
Chaos führt zu weiterem Chaos. Jede Person kann antriebslos und depressiv werden, wenn sie den Überblick über ihre Aufgaben und ihre Chancen verliert. Rückzug und Totstellreflex sind in diesem Falle lebenserhaltende Maßnahmen – auch wenn die Konsequenzen nicht geöffneter Briefe negativ sein können.
Was ist, wenn die Priorisierung fehlt? Dann ist alles gleichzeitig. Und damit nichts
Wenn ein Mensch versucht, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, schafft er vermutlich nichts. Weil das Gehirn nur auf eine Aufgabe die volle Aufmerksamkeit richten kann.
Jeder Versuch, mit Multistasking Zeit zu sparen oder schneller zu werden, führt in die Überforderung und damit in den Stillstand, auch in die Starre.
Eine Messiewohnung ist wie eine Skulptur der Erstarrung, eine in einer schmerzhaften Ewigkeit eingefrorene Momentaufnahme
Stellen wir also auch die Frage, ob bei einem Vermüllungssyndrom ein Problem mit der Priorisierung besteht.
Fragen wir uns – und diese Personen – zusätzlich:
- Wie könnte sich Ihr Leben wohl entwickeln, wenn Sie in Ihrem Inneren Übersicht einkehren würde?
- Wie könnte Ihre mentale und emotionale Wohnung, Ihr Innenleben, auf Ihr Außenleben, Ihre gemietete Wohnung oder Ihre Eigentumswohnung ausstrahlen?Wie würden Sie Ihre innere Wohnung, in der Ihre Gedanken und Gefühle aufgehoben sind, gerne einrichten?
- Welche Schlussfolgerungen können sich daraus ergeben?
- Welches Bild von einem Selbstwert präsentiert eine Messie-Wohnung?
Rein äußerlich betrachtet scheint sich ein Mensch für wertlos zu erachten, wenn er sich mit wertlosen Dingen umgibt. Tief im Herzen eines jeden Individuums jedoch lebt die Sehnsucht nach Anerkennung, nach dem Gesehenwerden und der Erlösung aus der Unordnung.
Oft gesucht: Messie Syndrom Ursachen
Der Mensch will sich seine Welt erklären. Er sucht auch nach Erklärungen der Welt anderer Zeitgenossen.
Und so fragen sich viele:
- Warum sammeln diese Leute Müll?
- Sehen Messies nicht, wie schlampig es bei ihnen aussieht?
- Schämen die sich nicht, sich so gehen zu lassen?
- Sind die zu faul, um einmal richtig aufzuräumen?
- Was sollen diese Sammelsurien aus sinnlosen Dingen?
Alle diese Fragen nach den Ursachen des Messie-Syndroms sind nachvollziehbar: und falsch gestellt.
Warum?
Gehen wir die Fragen der Reihe nach durch:
Warum sammeln manche Müll?
Als Messies definierte Personen sammeln nicht gezielt Müll.
- Sie priorisieren nicht.
- Sie treffen keine Unterscheidungen zwischen nutzlos und hilfreich.
- Das passiert nicht aus einem Mangel an Fleiß oder Intelligenz.
- Messie-Personen sind gleichzeitig allem treu und loyal.
Auf der Suche nach Nutzen und Sinn heben sie alles auf, was irgendwann einmal eine Funktion gehabt hat: Joghurtbecher, Verpackungen, Tüten, Rohstoffe wie Holz oder Metall, ausgediente Elektrogeräte, defekte Gegenstände, Kleidung, auch abgelaufene Lebensmittel.
All dies ist von außen betrachtet für die Mülldeponie bestimmt.
In der Innenwelt eines Messies jedoch warten diese Gegenstände auf den Moment, in dem sie wieder ihren Wert entfalten. Hier haben wir wieder die depressive Semantik: Eines Tages wird das alles seinen Sinn bekommen. Eines Tages wird sich die Vergangenheit neu präsentieren.
Sehen Messies nicht, wie schlampig es bei ihnen aussieht?
Selbstverständlich sehen bzw. ahnen Messies, dass ihre Welt nicht in Ordnung ist. Mehr noch. Sie präsentieren einen Zustand, in dem gilt: „Ich bin nicht in Ordnung.“
In der Messie-Welt gibt es die Manifestation einer fatalen Fehleinschätzung.
„Schämen die sich nicht, sich so gehen zu lassen?“
Doch, sie schämen sich rund um die Uhr. Und sie haben Angst, beschämt und gekränkt zu werden. So Personen mit dem Messie-Syndrom leben in einer Welt aus tiefer Scham und vielen Schuldgefühlen. Und so ziehen sie sich immer mehr zurück, empfangen keinen Besuch mehr.
„Sind die zu faul, endlich mal richtig aufzuräumen?“
Nein. Ein Mensch mit dem Verwahrlosungssyndrom hat die Kontrolle über seine Umgebung verloren. Messies scheitern immer wieder an ihren Ordnungssystemen. Irgendwann haben sie es aufgegeben, im Widerspruch ihrer massiven Loyalitätskonflikte Entscheidungen zu treffen:
- Dieser Gegenstand erinnert mich an meinen Onkel.
- Wenn ich dieses Geschenk von ihm wegwerfe, mache ich mich an ihm schuldig.
- Dieses Gerät hat einmal viel gekostet.
- Ich muss es zur Instandsetzung bringen, um seinen Wert wiederherzustellen.
- Ich muss auf so vieles verzichten – da kann ich es mir gönnen, diese Bücher zu bestellen. Auch wenn ich sie nicht lese.
- Ich umgebe mich mit ihnen.
Ähnliches ist mit anderen Medien zu beobachten: - Audiocassetten, Videobänder, CDs und DVDs: überall sind Epochen und Episoden enthalten, Geschichten aus vergangenen Tagen, die in diesen Medien wie mumifiziert und doch auf eine Art lebendig sind.
Wäscheberge sind wie verzerrte Skulpturen von einer nicht erreichbaren Geborgenheit.
„Was sollen diese Sammelsurien aus wertlosen und sinnlosen Dingen?“
Sammelsurien aus scheinbar zusammenhanglosen Gegenständen sind mit eigenen Ordnungsstrategien erklärbar.
Personen mit einer Wertbeimessungsstörung assoziieren mit Ansammlungen von Gegenständen eine gewisse Ordnung. Auch wenn diese Ordnungen für Außenstehende keinen Sinn ergeben:
Die Kategorisierung und die Kategoriebildung sind wesentliche Erklärungssysteme. Eine Kategorie gibt Übersicht und Halt. Wen ich etwas oder jemand zu etwas anderem zuordnen kann, stifte ich eine Beziehung. Von außen betrachtet herrschen hier nur Chaos und Wirrwarr.
Es scheint also zunächst sinnvoll, von einer Handlungsstörung zu sprechen. Tatsächlich aber bringt ein Haushaltsorganisationstraining so lange wenig bis nichts, bis ein Mensch in seinem Inneren die Wertbeimessung wertschätzen und behutsam verändert hat.
Hier sind wir an einem zentralen Punkt, der auch für die Entstehung von Depressionen ausschlaggebend ist:
Depressive unternehmen fortwährend den Versuch, die Vergangenheit zu bewahren – oder zu verändern
Sprechen Sie mit einer depressiven Person, werden Sie folgende Phänomene sehen können:
- Selbstvorwürfe
- Schuldphantasien
- Zukunftsangst
- Wiedergutmachungssehnsucht
Selbstvorwürfe bei Depressiven und Messies
Als depressiv diagnostizierte Patienten drehen sich in einer Endlosschleife mit Vorwürfen an sich selbst: als würden sie in einer Marathon-Gerichtsverhandlung sitzen. In einer Messiewohnung äußert sich ein ähnliches Bild: Die Wohnung schreit den Bewohner regelrecht an, er lebt in seinem Vorwurf. Der Depressive hingegen leidet oft still oder wird aggressiv gegen sich selbst, bis hin zur Suizidalität.
Schuldphantasien
Schuldphantasien sind typisch für monokausale Realitätskonstruktionen. Einfacher ausgedrückt: Wer nach dem Hauptschuldigen fragt, wird ihn (vermeintlich) schnell finden. Wir tendieren dazu, auch bei komplexen Fragen und Störungsbildern einfache Antworten zu suchen.
Die depressive Person lebt in wechselnden Abgründen aus
„Ich bin selbst schuld“ bzw.
„Die anderen und die Umstände sind schuld.“
Dieses Selbstbild stabilisiert einen Zustand von Ohnmacht.
Damit bleibt eine große Chance ungenutzt: die Chance des ersten kleinen Schrittes, etwas an der Situation zu verändern.
Was heißt das mit Bezug auf die Depression? Was können depressive Menschen schon verändern?
Eine depressive Person, die über mehrere Tage und Wochen hinweg Selbstliebe einübt – auch wenn sie dies zunächst mechanistisch und in sturer Wiederholung unternimmt, wird Anzeichen von Mitgefühl mit sich selbst entwickeln: weil das Gehirn semantische Signale („Ich liebe mich“) nach einiger Zeit in neue Muster übersetzt.
Welche besondere Chance besteht bei vom Messie-Syndrom Betroffenen?
Menschen mit Messie-Syndrom verändern das Entscheidende in ihrem Leben, indem sie bei sich und in sich selbst etwas sehr Wesentliches in Ordnung bringen:
- Mitgefühl auch mit sich selbst – denn Personen mit Messiesyndrom sind feinfühlige Menschen
- Vergebung für sich selbst: mit anderen Menschen können Messies großzügig sein
- Beziehungsaufbau mit sich: Wer als Messie noch berufstätig ist und die Verwahrlosung seiner Wohnung verbergen kann, wird als Kollege und Freund oft sehr geschätzt. Es gibt also die Resource der Beziehungsfähigkeit. Alles, was es braucht, ist die Übertragung auf sich selbst.
Zukunftsängste: Hintergrund
Zukunftsängste sind in Wirklichkeit Gegenwartsängste, die mit Blick auf die Vergangenheit bestehen. Die fatale Realitätskonstruktion: Weil es damals so war, wird es auch künftig so bleiben. Somit ist im Augenblick der Gegenwart kein Raum für Veränderung. Der Geist und die Gedanken springen zwischen damals und morgen hin und her. Das Heute und das Jetzt bleiben ungenutzt.
Von außen betrachtet entstehen im Vakuum der Gegenwart Aufschieberitis (Proktastination) und Vernachlässigung wichtiger Pflichten.
Sehnsucht nach Erfüllung, Ausgleich und Wiedergutmachung
Menschen mit dem Messiesyndrom präsentieren Veraltensschemata, die eine tiefe Sehnsucht nach Erfüllung zeigen.
Wie sich Raucher mit giftigem Qualm von innen erfüllen, so bauen sich Personen inmitten von Wäschebergen und Lebensmittelvorräten die gegenständliche Illusion von Erfüllung auf.
Die Wohnung ist voll, aber nicht erfüllt
Chronifiziertes Sammeln und Horten führen dazu, dass irgendwann nur noch schmale Gänge in den zugestellten Wohnungen übrig sind. Man schiebt sich durch die Berge aus Wäsche, Büchern, Verpackungen, Gerätschaften.
Ähnlich sieht es psychosomatisch auch im Gehirn aus.
- Im Kopf bleibt nur noch Raum für enge und engstirnig wirkende Gedankengänge.
- Bis eines Tages ein Grübelzwang aufkommt.
- Eine ungelöste Aufgabe jagt die andere, ein Selbstvorwurf türmt sich auf den nächsten.
- Darunter leider natülich das Selbstwertgefühl immens
- Wenn Schulden und Schuldgefühle buchstäblich im Raum stehen, ist für einen wertschätzenden Umgang mit sich selbst kein Platz mehr.
- Wer nicht mehr klar denken kann, ist von den Entscheidungen befreit – zumindest scheint es so.
Wie finden Menschen mit dem Messie-Syndrom nach vorne in eine neue Welt?
Folgende Reihenfolge könnte sich als hilfreich erweisen. Von innen nach außen durcharbeiten:
Phase der Bewusstwerdung
- Fehlvorstellungen von sich und den bislang vertretenen Wertbeimessungen erkennen
- Die permanente Abwertung der eigenen Person wahrnehmen
- Mitgefühl mit sich und dem Dilemma entwickeln, in dem sich der Mensch befindet
- Anerkennung und Würdigung von Verlusterlebnissen: traumatische Erfahrungen und Lebenswunden bedürfen einer behutsamen, ressourcenorientierten Betrachtung
- Wahrnehmung der inneren Vermüllung durch toxische und destruktive Gedanken
- Jede Form von Selbstvorwürfen ein für allemal aufgeben – und wenn doch noch einmal welche auftauchen: geduldig in einen inneren Raum des Recyclings bringen
Phase des inneren Umbaus: Wohnraumarbeit in der Seele
- schrittweises Abwandeln der Verhaltensschemata – beginnend mit den Denkgewohnheiten
- Stabilisierung der Veränderung durch das Lesen von Selbsthilfeliteratur
- Selbsthilfenetzwerk im eigenen Inneren aufbauen – hilfreiche Ego-States. Beispiel: Der Persönlichkeitsanteil, der bisher für das Bewahren von Gegenständen (stellvertretend für Beziehungen und Sicherheit) zuständig war, erhält eine neue Aufgabe:
Phase der äußeren Entwirrung
- Handlungsblockaden entstehen durch mentale und phyische Bewegungsschwierigkeiten. Diese Blockaden lösen sich durch einen würdevollen und wertschätzenden Umgang mit sich selbst
- Sprachmuster der Abwertung werden systematisch durch neue, wertschätzende und aufbauende Aussagen über sich selbst ersetzt:
- „Ich verstehe jetzt, dass ich mich aus einer tiefen Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit mit vielem umgeben habe, das mir nicht dient“
- „Ich erkenne an, dass mein Sammelstreben und meine ausgeprägte Vorratshaltung mit der Idee von Absicherung zu tun hatten“
- „Ich lasse mich von spezialisierten Personen (wie etwa Veronika Schröter) beraten und unterstützen, meine Gedanken und dann meine Handlungen zu erkennen und zu strukturieren
- Nutzen der wissenschaftlichen Erkenntnisse: Evidenzbasierte Selbsthilfe.
- Mehr als 80 Prozent der Hoarder (gemeint sind die exzessiv Hortenden) haben keine anderen Zwangssymptome, so David Mataix-Cols (ehemals King’s College London) heute Karolinska Institutet: https://medarbetare.ki.se/people/david-mataix-cols
Selbsthilfe bei der Diagnose Messie-Syndrom
Die wirksamste Form der Hilfe ist die Selbsthilfe.
Warum ist Selbsthilfe so wirksam?
Jede Form von Hilfe ist erst dann hilfreich, wenn sie angenommen ist.
Weil es, bedenkt man alles durch und durch, immer das Individuum selbst ist, das Hilfe in Tatsachen umwandelt – auch von außen angebotene Hilfe.
Selbsthilfeliteratur: kleines Buch, sofortige Wirkung
In einem kleinen Selbsthilfebuch (seit 2012 erhältlich) steht die Geschichte von der Gedankenwohnung.
Diese Geschichte handelt von einer Wohnung, die in Gedanken für die inneren Bilder, Erinnerungen, Ideen, Verpflichtungen und Denkweisen eingerichtet wird.
Nehmen wir die Situation, dass eine Person mit Messie-Diagnose vor der Entscheidung steht, sich z. B. von einem ausgedienten Faxgerät zu verabschieden und dann zu trennen.
Hier ist es entscheidend, dass die Person zu differenzieren versteht:
- Einerseits das Wertesystem, in dem ein elektrisches Gerät mit einem hohen Anschaffungspreis zu erhalten ist.
- Andererseits die aktuelle Realität, in der ein Faxgerät für einen Privathaushalt (z. B. Freiberufler) wirklich nicht mehr notwendig, ja sogar überflüssig geworden ist.
- Aus einer Metaperspektive betrachtet: Selbst wenn das Faxgerät vor 20 Jahren vom Honorar des ersten Auftrags bezahlt wurde, wird es nachträglich nicht weniger kosten und künftig nicht mehr bringen, wenn ich es behalte. Ich führe es also dem Wertstoffkreislauf zu.
- Gleichzeitig achte und schätze ich mich aufrichtig für mein stetes Bestreben, alle meine Gegenstände und die mit ihnen verbundenen Episoden, Begegnungen und Erinnerungen zu bewahren.